BGH: Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts beim Kindesunterhalt durch Zusammenleben mit neuem Partner

BGH: Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts beim Kindesunterhalt durch Zusammenleben mit neuem Partner

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Wer zum Kindesunterhalt verpflichtet ist, kann sich finanziell schnell an den Rand des Existenzminimums gebracht fühlen – insbesondere, wenn die eigenen Einkünfte niedrig sind. In diesen Fällen schützt das Unterhaltsrecht die Betroffenen durch einen sogenannten „notwendigen Selbstbehalt“. Doch was passiert, wenn der Unterhaltsverpflichtete mit einem neuen Partner zusammenlebt? Muss sich die neue Lebenssituation auf den Selbstbehalt auswirken? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner aktuellen Entscheidung vom 26.03.2025 (Az. XII ZB 388/24) diese Frage beantwortet und damit seine bisherige Linie fortgeführt. Im folgenden Blogbeitrag erkläre ich Ihnen den Fall, das Urteil und die daraus entstehenden Konsequenzen.


1. Worum ging es? Der Sachverhalt im Überblick

Der Fall betrifft einen Vater, der nach der Trennung von der Mutter seiner 2012 geborenen Tochter Unterhalt zahlen sollte. Wegen psychischer Erkrankung war der Mann längere Zeit arbeitsunfähig und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 %. Er verdiente später als Produktionshelfer und Maschinenbediener, verlor aber diese Tätigkeiten und bezog anschließend Arbeitslosengeld I. Seit 2023 lebt er mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen, die in Teilzeit als Altenpflegerin arbeitet und etwa 1.195 € netto monatlich verdient.

Für das gemeinsame Kind zahlte zunächst die Unterhaltsvorschusskasse des Landes. Dieses wollte den übergegangenen Anspruch auf Unterhalt vom Vater erlangen. Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht berechneten auf Basis der geringen Einkünfte einen Kindesunterhalt von monatlich 62 €. Eine Herabsetzung des Selbstbehalts aufgrund des Zusammenlebens mit der neuen Lebensgefährtin wurde aber abgelehnt, weil deren Einkommen angeblich nicht für den eigenen Bedarf ausreiche.

Gegen diese Entscheidung wandte sich das Land und klagte bis zum Bundesgerichtshof.


2. Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Der BGH bestätigte grundsätzlich, dass der zum Unterhalt Verpflichtete seinen notwendigen Selbstbehalt gegenüber dem Kind verteidigen darf – ABER: Lebt der Unterhaltsschuldner mit einem neuen Partner in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammen, können hieraus Einsparungen entstehen. Mehrere Personen in einem Haushalt können günstiger wirtschaften als jeder für sich allein. Daher kann der sogenannte notwendige Selbstbehalt „pauschal um 10 %“ abgesenkt werden, wenn der neue Partner in der Lage ist, seinen eigenen existenziellen Lebensbedarf zu decken.

Das Einkommen der Lebensgefährtin – rund 1.195 € netto – überstieg dabei sowohl das sozialrechtliche Existenzminimum (2023: 909 €, 2024: 956 €) als auch das von den Leitlinien geforderte Minimum für die Berücksichtigung von Synergieeffekten. Die Argumentation der Vorinstanz, dass dafür der höhere Selbstbehalt für Erwerbstätige gelte, wies der BGH zurück. Entscheidend ist das Existenzminimum eines Nichterwerbstätigen (2023: 1.120 €, 2024: 1.200 €) abzüglich 10 %, also 1.008 € (2023) bzw. 1.080 € (2024). Das Nettoeinkommen der Lebensgefährtin – auch nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen – reicht hierfür aus.

Der Selbstbehalt des Vaters wurde für 2023 auf 1.233 € (statt 1.370 €) und für 2024 auf 1.305 € (statt 1.450 €) herabgesetzt. In der Folge wurde der unterhaltsrechtlich als leistungsfähig anerkannte Betrag erhöht und damit auch der zu zahlende Kindesunterhalt spürbar angehoben.


3. Was bedeutet das Urteil für die Praxis?

Die Entscheidung des BGH sorgt für mehr Rechtssicherheit und schafft eine klare Linie:

a) Verminderter Selbstbehalt ist die Regel, nicht die Ausnahme:
Wohnt ein Unterhaltsschuldner mit einem neuen Partner in einer wirtschaftlichen Gemeinschaft (auch ohne Trauschein!), wird künftig regelmäßig pauschal ein um 10 % verminderter Selbstbehalt angesetzt – sofern der Partner mit eigenen Einkünften seinen Lebensbedarf decken kann.

b) Soziale Absicherung bleibt gewahrt:
Die Grenze liegt beim sozialrechtlich anerkannten Existenzminimum des neuen Partners. Nur wenn dessen Einkommen nicht einmal die Hartz IV-/Bürgergeld-Schwelle (exkl. Wohnkosten) erreicht, bleibt der übliche Selbstbehalt unverändert.

c) Rechtssicherheit und Berechenbarkeit:
Die Berechnungsgrundlagen sind klar definiert – Pauschalierung (10 %) und Orientierung am Nichterwerbstätigen-Selbstbehalt. Das verringert Unsicherheiten und reduziert Spielraum für einen kostenintensiven Streit.


4. Handlungsempfehlungen für Betroffene

Für Unterhaltspflichtige:

  • Prüfen Sie regelmäßig Ihre finanzielle Situation, insbesondere bei Veränderungen im Haushalt.
  • Wohnen Sie mit einem (auch unverheirateten) Partner, dessen Einkommen das sozialrechtliche Existenzminimum deckt, müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Selbstbehalt um 10 % reduziert wird.
  • Begründen Sie ggf. detailliert, wenn auf Ihrer Seite oder der Ihres Partners außergewöhnliche Belastungen (z.B. Schulden, hohe Pflege- oder Krankheitskosten) vorliegen.

Für Unterhaltsberechtigte:

  • Weisen Sie gegebenenfalls auf die aktuelle BGH-Entscheidung hin, wenn die Gegenseite einen vollständigen Selbstbehalt beansprucht und in einer neuen Gemeinschaft wohnt.
  • Verlangen Sie beim Unterhaltspflichtigen Angaben über die Einkünfte des neuen Partners, soweit es um den Selbstbehalt geht.

Für beide Seiten:

  • Informieren Sie sich über die aktuellen Leitlinien Ihres zuständigen Oberlandesgerichts zur Frage der Herabsetzung des Selbstbehalts.
  • Ziehen Sie im Zweifel anwaltliche Beratung hinzu, um unnötige (Folge-)Konflikte und langen Schriftwechsel zu vermeiden.

Fazit

Der BGH stellt mit dieser Entscheidung klar: Wer mit einem neuen Partner zusammenlebt, profitiert im Unterhaltsrecht künftig nicht mehr vollumfänglich vom Selbstbehalt. Die durch gemeinsames Wirtschaften typischen Einsparungen („Synergieeffekte“) sind fairerweise zu berücksichtigen. Damit schützt die Rechtsprechung die Kinderinteressen auf ein Mindesteinkommen, ohne den Unterhaltspflichtigen unangemessen zu belasten.

Rechtsanwalt Schwartmann, Düren und Köln
BGH: Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts beim Kindesunterhalt durch Zusammenleben mit neuem Partner was last modified: Juli 3rd, 2025 by raschwartmann

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Rechtsanwalt Andreas Schwartmann, Köln

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