Verzicht auf Versorgungsausgleich: Nicht ohne Anwalt

Verzicht auf Versorgungsausgleich: Nicht ohne Anwalt

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Versorgungsausgleich bei der Scheidung: Was bedeutet die neue Entscheidung des OLG Karlsruhe für Sie?

Wer sich scheiden lassen möchte, sieht sich mit vielen Fragen konfrontiert – zum Beispiel: Was passiert mit dem gemeinsamen Haus? Wie wird das Vermögen aufgeteilt? Und nicht zuletzt: Was geschieht mit den während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften, also dem sogenannten Versorgungsausgleich? Oft möchten Ehegatten über den Versorgungsausgleich abweichende Vereinbarungen treffen. Doch vor kurzem hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hierzu eine wichtige Entscheidung getroffen, die alle betrifft, die sich scheiden lassen wollen oder sich gerade im Scheidungsverfahren befinden.

In diesem Beitrag erkläre ich Ihnen, was das Gericht entschieden hat, wie der konkrete Fall aussah, welche Auswirkungen das auf Ihr eigenes Scheidungsverfahren haben kann, und was Sie jetzt unbedingt beachten sollten.


Was ist der Versorgungsausgleich?

Der Versorgungsausgleich ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren und gehört zu jeder Scheidung dazu – zumindest, wenn Sie in Deutschland geheiratet haben und einer von beiden in der Ehezeit Rentenanwartschaften (zum Beispiel bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem privaten Versorgungsträger) erworben hat.

Das Ziel: Beide Ehegatten sollen für die Zeit der Ehe einen möglichst gleich hohen Anspruch auf eine Altersrente bekommen. Hat ein Ehegatte während der Ehe mehr in die Rente eingezahlt als der andere, wird „ausgeglichen“: Der mit den höheren Anwartschaften gibt einen Teil an den anderen ab – keinesfalls in Form von Geld, sondern in Form von Rentenansprüchen. Der Versorgungsausgleich findet von Amts wegen statt, sobald Sie sich scheiden lassen.


Der Fall vor dem OLG Karlsruhe

Im entschiedenen Fall stand ein Ehepaar vor der Scheidung. Beide hatten in der Ehezeit Rentenansprüche gesammelt, der Mann auch mit einer ausländischen Versorgung. Für einen Teil davon fehlte ein wichtiger Nachweis, der schwer zu beschaffen war.

Im Scheidungstermin beim Gericht sagte die Ehefrau schließlich: „Ich verzichte auf den Ausgleich dieser ausländischen Versorgung.“ Das Gericht nahm diese Erklärung ins Protokoll auf, also ins offizielle Gerichtsprotokoll. Die Beteiligten hofften, auf diese Weise den Versorgungsausgleich rund um diese schwierige Versorgung regeln zu können.

Aber: Die Frau hatte im Termin keinen eigenen Anwalt.


Was hat das OLG Karlsruhe entschieden?

Das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.12.2024 – 16 UF 144/24) hat sehr deutlich festgestellt:
Ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich oder eine abweichende Vereinbarung ist im Scheidungstermin grundsätzlich nur dann möglich, wenn beide Ehegatten durch einen eigenen Anwalt vertreten sind.

War – wie im Fall der Frau – ein Ehegatte nicht anwaltlich vertreten, ist die Vereinbarung nicht wirksam. Das bedeutet: Das Gericht muss den Versorgungsausgleich so vornehmen, als hätte es gar keine Vereinbarung zwischen den Eheleuten gegeben. Der Wunsch, den Versorgungsausgleich – oder Teile davon – „einfach“ im Termin mit einer schnellen Protokollerklärung zu umgehen, funktioniert ohne Anwalt also nicht.

Kurz zusammengefasst:
Wenn Sie ohne eigenen Anwalt im Termin sitzen und versuchen, über den Versorgungsausgleich eine individuelle Einigung zu treffen, ist diese für das Gericht ohne Bedeutung.


Warum gibt es diese Regelung?

Der Versorgungsausgleich kann für beide Ehegatten schwerwiegende finanzielle Folgen haben – vor allem im Hinblick auf die eigene Rente im Alter. Das Gericht will sicherstellen, dass niemand aus Unwissenheit, in Eile oder aus Überforderung auf Ansprüche verzichtet, ohne sich wirklich der Konsequenzen bewusst zu sein.
Deshalb verlangt das Gesetz bei allen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich: Entweder müssen Sie vor einem Notar regeln, wie Sie sich einigen wollen (und der Notar belehrt Sie dann über die Folgen), oder im Scheidungstermin sind beide Ehegatten je durch einen eigenen Anwalt vertreten, der die Folgen erläutern und fachlich bewerten kann.

Der Grund ist der sogenannte „Anwaltszwang“. Dieser verhindert, dass einer der beiden Ehegatten dem anderen möglicherweise im Nachteil unterliegt und hilft, unüberlegte oder zu nachteilige Kompromisse zu verhindern.


Welche Auswirkungen hat das für Ihr Scheidungsverfahren?

Diese Entscheidung betrifft im Grundsatz alle, die eine Scheidung anstreben und beim Versorgungsausgleich von der gesetzlichen Regelung abweichen wollen – egal, ob Sie etwas komplett ausschließen, einschränken („Teilverzicht“) oder anders regeln möchten.

Praktisch bedeutet das:

  • Schnelle Vereinbarungen im Gerichtstermin ohne Anwalt haben keine Wirkung. Selbst wenn das Gericht Ihren Wunsch aufnimmt oder etwas ins Protokoll schreibt: Ohne Anwalt (für jeden Ehegatten!) ist das unwirksam.
  • Sie können mit Ihrem Ehegatten nicht einfach „gemeinsam“ einen Anwalt nehmen. Jeder Ehegatte muss eigenständig vertreten sein, damit keine Interessenskonflikte entstehen.
  • Wenn Sie etwas abweichend regeln möchten, gehen Sie besser frühzeitig zum Notar oder sorgen Sie dafür, dass Sie beide im Gerichtstermin einen eigenen Anwalt beauftragen.
  • Gelingt Ihnen das nicht, bleibt alles beim Gesetz: Der Versorgungsausgleich wird automatisch durchgeführt, selbst wenn Sie beide es anders gewollt hätten.

Wie geht es jetzt für Sie weiter? – Handlungsempfehlung

1. Überlegen Sie genau, ob Sie den Versorgungsausgleich wollen.
Für viele ist es ein verständlicher Wunsch: „Ich will, dass mein(e) Ex keinen Anspruch mehr auf meine Rente hat.“ Bedenken Sie aber, dass umgekehrt auch Sie vom Versorgungsausgleich profitieren können. Prüfen Sie Ihre aktuellen und zukünftigen Rentenansprüche. Lassen Sie sich von der Rentenversicherung eine Auskunft geben.

2. Planen Sie frühzeitig, wenn Sie eine abweichende Regelung wünschen.
Sprechen Sie so früh wie möglich mit einem spezialisierten Anwalt oder gehen Sie gemeinsam zum Notar, falls Sie sich einigen möchten. Der Anwalt erläutert Ihnen, was geht und was nicht – und begleitet Sie gegebenenfalls im Gerichtstermin.

3. Lassen Sie sich niemals zu einer schnellen Kompromisslösung drängen.
Auch wenn der andere Ehepartner Sie bittet, „das doch einfach abzuhaken“. Die Rente betrifft nicht nur die Gegenwart, sondern Ihr zukünftiges Leben im Alter. Ein unüberlegter Verzicht lässt sich in aller Regel nicht rückgängig machen.

4. Seien Sie sich bewusst: Ein Verzicht oder eine Modifizierung des Versorgungsausgleichs ist eine weitreichende Entscheidung.
Sie verzichten damit auf einen Teil Ihrer Rentenansprüche – oft für immer. Lassen Sie sich deshalb immer unabhängig beraten!

5. Keine Vereinbarung ohne Anwalt – auch wenn alles „einvernehmlich“ klingt!
Selbst im besten Einvernehmen mit Ihrem Ehepartner: Die gerichtliche Regelung zum Versorgungsausgleich verlangt stets einen eigenen Anwalt auf jeder Seite. Alles andere ist unwirksam und kann zu bösen Überraschungen führen.


Fazit

Das OLG Karlsruhe hat eine wichtige Klarstellung getroffen: Ohne eigenen Anwalt (für beide Ehepartner) können Sie beim Versorgungsausgleich im Gerichtstermin keine wirksame abweichende Vereinbarung treffen. Das gilt auch, wenn das Gericht etwas ins Protokoll aufnimmt oder Sie sich einig sind.

Machen Sie sich deshalb rechtzeitig Gedanken, ob und wie Sie ausgleichsrelevante Rentenansprüche aufteilen oder ausschließen möchten. Lassen Sie sich kompetent beraten, bevor Sie auf Ansprüche verzichten – denn es geht um Ihre Altersvorsorge und um finanzielle Sicherheit. Ziehen Sie frühzeitig einen versierten Anwalt hinzu oder gehen Sie zum Notar, wenn Sie gemeinsam etwas abweichend regeln möchten. So sichern Sie sich gegen teure Fehler ab und sorgen für eine faire und sichere Zukunft nach der Scheidung.

Rechtsanwalt Schwartmann, Düren und Köln
Verzicht auf Versorgungsausgleich: Nicht ohne Anwalt was last modified: Juni 5th, 2025 by raschwartmann

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