Kein fristloses Kündigungsrecht bei Nichtstellung einer Bankbürgschaft als Mietsicherheit
0 CommentsEinleitung
Das Mietrecht ist geprägt von einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen, die das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter in ein ausgewogenes Gleichgewicht bringen sollen. Insbesondere der Bereich der Mietsicherheit – also die Stellung einer Kaution oder einer Bürgschaft – spielt hierbei eine zentrale Rolle, um die Interessen beider Parteien zu schützen. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Mai 2025 (Az. VIII ZR 256/23) stellt einen wichtigen Grundsatz für die Auslegung der gesetzlichen Regelungen zur Kündigung bei Verzug mit der Mietsicherheit auf: Demnach kann ein Vermieter das Mietverhältnis nicht gemäß § 569 Abs. 2a BGB fristlos kündigen, wenn der Mieter mit der Stellung einer vereinbarten Bankbürgschaft in Verzug ist. Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die mietrechtliche Praxis und gibt Anlass zur Klärung der Rechte und Pflichten von Vermietern wie auch Mietern im Zusammenhang mit der Mietsicherheit.
Der Sachverhalt: Worum ging es?
Der Beklagte war seit Januar 2020 Mieter einer Wohnung nebst Tiefgaragenstellplatz. Die Parteien hatten im Mietvertrag vereinbart, dass der Mieter als Sicherheit eine unbefristete, selbstschuldnerische Bankbürgschaft in Höhe von 4.400 € spätestens zur Übergabe der Wohnung zu stellen hat. Obwohl die Klägerin als Vermieterin die Wohnung überließ, blieb der Beklagte die geforderte Bürgschaft schuldig. Als Reaktion darauf kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis im Mai 2020 sowohl außerordentlich fristlos als auch hilfsweise ordentlich wegen unterbliebener Leistung der Mietsicherheit. Sie berief sich hierbei auf den damals neu eingeführten Kündigungstatbestand des § 569 Abs. 2a BGB, wonach ein Vermieter fristlos kündigen kann, wenn der Mieter mit einer nach § 551 BGB geschuldeten Sicherheitsleistung in Höhe von zwei Monatsmieten in Verzug ist.
Das Amtsgericht gab der Vermieterin Recht und verurteilte den Mieter zur Räumung. Das Landgericht Frankfurt am Main bestätigte diese Entscheidung in der Berufungsinstanz. Es vertrat die Ansicht, auch eine Bankbürgschaft falle unter den Schutzbereich des § 569 Abs. 2a BGB. Gegen dieses Urteil legte der Mieter Revision beim Bundesgerichtshof ein.
Die Entscheidung des BGH: Kein fristloses Kündigungsrecht bei verzögerter Bankbürgschaft
Die Revision hatte Erfolg!
Der BGH hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als es auf die Kündigung wegen Nichtleistung der Bankbürgschaft gestützt war, und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Das Gericht hat damit klargestellt:
Ein Vermieter kann das Mietverhältnis nach § 569 Abs. 2a BGB nicht fristlos kündigen, wenn der Mieter mit der Stellung einer als Mietsicherheit vereinbarten Bankbürgschaft in Verzug ist. Diese Art der Sicherheit fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift.
Begründung im Detail
- Wortlaut und Gesetzessystematik:
- Die Vorschrift des § 569 Abs. 2a BGB spricht von einem Verzug mit der Erbringung einer „Sicherheitsleistung nach § 551 BGB in Höhe eines Betrages …“. Zwar umfasst § 551 BGB grundsätzlich verschiedene Arten von Mietsicherheiten (Geld, Bankbürgschaft, etc.), doch ergibt sich aus Formulierung und Systematik, dass nur solche Sicherheiten gemeint sind, die der Mieter in Form von Geld und insbesondere in Raten leisten kann. Denn der Kündigungstatbestand setzt einen Verzug mit einem Betrag in Höhe von zwei Monatsmieten voraus, was auf Teilzahlungen hindeutet und somit nur bei Barkautionen gegeben ist. Eine Bankbürgschaft wird – anders als die Barkaution – nicht in Raten gestellt, sondern nur als Gesamtheit.
- Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck:
- Der Gesetzgeber wollte mit § 569 Abs. 2a BGB vor allem Klarheit schaffen für den Fall, dass ein Mieter die (Bar-)Kaution nicht oder nur teilweise zahlt. Gemeint war die „Nichtzahlung“ einer Kaution, nicht das Unterlassen anderer Sicherheiten wie einer Bürgschaft. Auch aus der Gesetzesbegründung lässt sich klar ablesen, dass nur Vermieter, die eine Barkaution vereinbart haben, von dem schnellen Kündigungsrecht profitieren sollen, weil sie durch das gesetzliche Recht des Mieters zur Ratenzahlung besonders gefährdet sind. Vermieter, die eine Bankbürgschaft beanspruchen, sind hingegen bereits durch ihr Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Wohnungsübergabe gut geschützt.
- Kein Schutzbedürfnis des Vermieters bei Bürgschaften:
- Bei der Bankbürgschaft kann der Vermieter die Wohnungsübergabe verweigern, bis die Bürgschaft vorliegt. Er kann also das Entstehen einer Risikoposition bereits vor Vertragserfüllung verhindern. Bei Barkautionen hingegen muss der Vermieter – wegen des Ratenzahlungsrechts – oft mit einer Kautionsrestforderung ins Vertragsverhältnis einsteigen.
- Weitere Kündigungsmöglichkeiten verbleiben:
- Der BGH stellt klar, dass Vermietern weiterhin die Möglichkeit bleibt, das Mietverhältnis wegen Pflichtverletzungen des Mieters gem. § 543 Abs. 1 BGB (fristlose Kündigung aus wichtigem Grund) oder § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (ordentliche Kündigung bei schuldhafter, nicht unerheblicher Vertragsverletzung) zu kündigen – jedoch nur nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls, aber nicht bereits automatisch und ohne Abwägung, wie bei § 569 Abs. 2a BGB.
Auswirkungen des Urteils auf die Praxis
Für Vermieter
- Kein pauschales Fristlos-Kündigungsrecht beim Ausbleiben einer Bankbürgschaft: Vermieter können sich bei Verzug mit einer vereinbarten Bankbürgschaft nicht auf § 569 Abs. 2a BGB berufen. Es bleibt nur die individuell zu prüfende Kündigung wegen allgemeiner Pflichtverletzung.
- Vertragsgestaltung: Wer von Anfang an eine hohe Sicherheit für sich wünscht, sollte – im Rahmen des Gesetzes – eine Barkaution vereinbaren, da hier der strenge Kündigungstatbestand gilt. Bei Bürgschaften ist größere Sorgfalt bei der Vertragsabwicklung angeraten; der Vermieter sollte darauf bestehen, dass die Bürgschaft vor Wohnungsübergabe ausgehändigt wird.
- Abmahnung und Fristen: Will der Vermieter dennoch kündigen, sollte er in jedem Fall abmahnen und eine angemessene Frist setzen, um einen wichtigen Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB zu begründen.
Für Mieter
- Mehr Schutz vor vorschnellen Kündigungen: Mieter, die mit der Übergabe einer Bankbürgschaft im Verzug sind, laufen nicht mehr Gefahr, „automatisch“ ihr Mietverhältnis aufgrund § 569 Abs. 2a BGB zu verlieren. Ihnen bleibt mehr Zeit, etwaige Verzögerungen nachzuholen und auf Abmahnungen zu reagieren.
- Gleichwohl Pflicht zur rechtzeitigen Sicherheit: Die Entscheidung entbindet Mieter nicht von der Pflicht, die vereinbarte Sicherheit ordnungsgemäß und rechtzeitig zu erbringen. Verzug mit der Stellung der Bürgschaft kann je nach Einzelfall weiterhin – nach Abmahnung – zu einer Kündigung führen.
- Kommunikation: Bei Problemen mit der Bürgschaftsbesorgung empfiehlt es sich, frühzeitig das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen und – falls möglich – einen Zahlungsplan oder andere Sicherheiten anzubieten.
Empfehlungen & Praxistipps
Vermieter
- Vertragsprüfung: Prüfen Sie die Regelung zur Mietsicherheit in Ihrem Mietvertrag. Ist eine Bankbürgschaft vereinbart, können Sie bei deren Nichtvorlage das Mietverhältnis nicht ohne Weiteres fristlos kündigen.
- Übergabepraxis: Überlassen Sie die Wohnung nur dann, wenn Sie die Bürgschaft tatsächlich erhalten haben. Andernfalls riskieren Sie, auf das allgemeine Kündigungsrecht zurückgeworfen zu werden, was mit höheren Anforderungen verbunden ist.
- Kaution statt Bürgschaft überlegen: Wenn Ihnen der sofortige Zugriff auf § 569 Abs. 2a BGB wichtig ist, vereinbaren Sie mit dem Mieter möglichst eine Barkaution. Beachten Sie dabei das gesetzliche Ratenzahlungsrecht des Mieters.
- Dokumentation: Im Konfliktfall sollten Fristsetzungen, Abmahnungen und der gesamte Schriftverkehr sauber dokumentiert werden, um im Kündigungsprozess auf der sicheren Seite zu stehen.
Mieter
- Zügige Erbringung der Sicherheit: Stellen Sie sicher, dass Sie die erforderliche Bankbürgschaft rechtzeitig besorgen oder rechtzeitig kommunizieren, wenn Verzögerungen auftreten.
- Schutz durch Kommunikation: Nutzen Sie das Urteil, um im Falle einer verzögerten Bürgschaftübermittlung das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen und gegebenenfalls Alternativen zu präsentieren.
- Klärung vor Wohnungsübergabe: Um Streit zu vermeiden, sollte ausdrücklich vereinbart werden, wann und wie die Mietsicherheit zu stellen ist. Lassen Sie sich die Abgabe oder Verzögerung der Bürgschaft quittieren.
Fazit
Das Urteil des BGH schafft Klarheit: Vermieter können sich bei Verzug des Mieters mit der Stellung einer Bankbürgschaft nicht auf das scharfe Schwert der fristlosen Kündigung nach § 569 Abs. 2a BGB stützen. Dies bringt zwar ein gewisses „Mehr“ an Mieterschutz, stärkt aber auch die Bedeutung sorgfältiger Vertragsgestaltung und Übergabepraxis auf Vermieterseite. Beide Parteien sollten bei der Vereinbarung und Handhabung der Mietsicherheit stets besonderes Augenmerk auf die gesetzlichen Vorgaben und die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung legen. Bei Unklarheiten sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden.